|
|
CULTURE UND LEE PERRY -
02.12.2005 -KESSELHAUS BERLIN
|
|
Am
02.12.05 kam es
zum Zusammentreffen von zwei ganz Großen aus der Reggaeszene.
Lee Perry und
Culture, die mächtig Feuer im Kesselhaus legten. Von der
lebenden Legende Lee
„Scratch“ Perry hatte ich bereits zum 16. Juli 2005
berichtet, als er beim
Dresdner Roots zu Gast war (siehe auch 6. Ausgabe ReggaeNewsMagazine
–
September-Oktober 2005). Joseph Hill
und
Culture galt also dieses Mal unser besonderes Interesse.
|
Zuvor jedoch noch
ein paar
Worte zur Location. Das Kesselhaus befindet sich südlich des
Prenzlauer Berges
auf dem Gelände der Kulturbrauerei. Die Kulturbrauerei ist ein
sehenswertes
historisches Gebäudeensemble aus roten Klinkern und beherbergt
eine Vielzahl
von kulturellen Einrichtungen, unter anderem auch ein Kino und ein
Theater. Die
Geschichte des Kesselhauses reicht bis ins Jahr 1842 zurück
als dort eine
Lagerhalle für eine Bierbrauerei errichtet worden ist. 1853
wurden die
Lagerhalle und die Brauerei von Jacob Schultheiss übernommen.
Ende des 19.
Jahrhunderts entstand dann der heute bekannte Gebäudekomplex
der Brauerei.
Unter dem Namen Schultheiss-Patzenhofer-Brauerei entwickelte sich das
Unternehmen zum weltweit führenden Bierproduzenten. Im 2.
Weltkrieg war es
jedoch damit vorbei und das Gelände wurde zur Herstellung von
Kriegsmaterial
zweckentfremdet.
Nach 1945
wurde der
Brauereibetrieb wieder aufgenommen und 1967 endgültig
eingestellt.
1990 ging dann das
Baudenkmal in das Eigentum der Treuhand über. Von 1991 bis
Juli 2002 wird das
Kesselhaus von dem Kulturbrauerei e.V. und der Kulturbrauerei gGmbH als
international bekannter Veranstaltungsort für alternative-,
experimentelle-,
Jugend- und Hochkultur entwickelt und etabliert. Seit August 2002 wird
diese
Arbeit von der Consense Gesellschaft zur Förderung von Kultur
mbH fortgesetzt.
Weitere umfangreiche Informationen findet man unter www.kulturbrauerei.de.
Während unseres
Besuches befand sich auch ein wunderschöner interessanter
Weihnachtsmarkt im
Innenhof der Kulturbrauerei, der
uns die
Wartezeit bis zum Einlaß verkürzt. Der verschiebt
sich allerdings geraume Zeit
nach hinten, sehr zum Leidwesen einiger Leute, die an der Garderobe
sparen wollten
und ihre Sachen zu Hause oder im Auto ließen. Im Inneren
empfängt uns ein
nahezu unveränderter Saal des ehemaligen Kesselhauses der
Brauerei mit
industriell anmutendem Charme. An zwei Seiten befindet sich eine
Empore, die
einen Blick von oben auf die Bühne zulässt.
Der vereinbarte
Backstagetermin ist bereits zeitlich überschritten, aber
Tourmanager Christoph
meint, dass Joseph Hill sowieso gerade in der Stadt unterwegs ist um
einige
Dubplates aufzunehmen. Die Dubplate Session findet beim City Lock
Soundsystem
statt. Dies nehme ich zum späteren Zeitpunkt als Anlass, mal
kurz mit Joshu
„Ali Bling“ von City Lock darüber zu
sprechen und möchte dies an dieser Stelle
einfügen.
Peter:
Wie ist eure
Session mit Joseph gelaufen?
Joshu: Also das war
ja nicht unser erstes Zusammentreffen mit Joseph. Wir hatten das
Glück schon
einmal im vorigen Jahr. Zu unserer Session sind Soundsystems aus ganz
Deutschland angereist. Mit dabei waren Supersonic aus Berlin, Fire
Vibes aus
Frankfurt, Raggaroma aus Hannover und Nice Time International aus
München. Es
ist alles sehr gut gelaufen, Joseph war sehr gut drauf und hat alle
Instrumente
ausprobiert und mit benutzt, die er im Studio finden konnte.
Peter: Wie lange hat
Eure Session gedauert und wie viel Stücke habt ihr aufgenommen?
Joshu: Also das
waren über 2 maximal 3 Stunden und dabei haben wir 8 Tunes
aufgenommen.
Peter: Hört
sich
Joseph das Ergebnis am Ende noch einmal an und ist er an der
Weiterverarbeitung
der Tunes irgendwie beteiligt?
Joshu: Nein. Ich
glaube auch nicht, dass er es überhaupt hören
möchte. Wir haben einen Deal.
Nach der Aufnahme gehört das Band dem jeweiligen Soundsystem
und das
entscheidet allein was mit dem Band weiter geschieht.
Peter: Wann und wo
kann man das Ergebnis hören?
Joshu: Das kann ich
nicht sagen, da musst du die nächsten Veranstaltungen der
jeweiligen
Soundsystems besuchen. Sicher wird man dort etwas davon hören.
Ich habe keine
Ahnung was Supersonic und die Anderen damit vorhaben.
Peter: Ich werde das
an unsere Leser weitergeben. Da sind wir mal gespannt was dabei
herauskommt.
Joshu: Bitte
schreibt wenn möglich in Euer Magazin, falls
Interesse an Dubplates von
Artists die durch Berlin touren besteht, könnt ihr bei dem City Lock
Sound unter
dubplates@citylock.net,
den
aktuellen "PLATELETTER" mit allen aktuellen
Dubplate-Sessions beziehen. Mehr Informationen bei www.citylock.de!
Peter: Ja, das werde
ich tun und alles Gute weiterhin.
Als Joseph
von
seiner Session zurückkehrt sind wir allerdings immer noch
nicht an der Reihe.
Eingepackt wie ein
Eskimo verlässt er noch einmal das Kesselhaus in Richtung
Weihnachtsmarkt.
Inzwischen wird von Jahcoustix
& Dubios Neighbourhood der Reggae-Abend angemessen
eingeläutet.
Jahcoustix kommt aus München und hat viele Jahre seiner Jugend
als Angehöriger
einer Diplomatenfamilie im Ausland verbracht. Darunter waren auch ca. 5
Jahre
in Kenia. Dort entstand seine Liebe zum Reggae. Eine seiner ersten
Scheiben die
er erworben hat war eine von Culture. Er hätte sich nie
erträumt einmal in
seinem Leben mit Legenden wie Culture und Lee Perry gemeinsam auf der
Bühne zu
stehen, wie er an diesem Abend meint. Es ist für ihn eine
besondere Ehre hier
dabei sein zu dürfen. Jahcoustix der eigentlich Dominik Haas
heißt, ist heute
26 Jahre jung und hat sicher noch eine vielversprechende Karriere vor
sich.
Jahcoustix der nur so vor guter Laune strotzt und ins Publikum lacht,
überzeugt
mit tollen Roots Riddims. Eine echt klasse Einstimmung für die
nachfolgenden
Acts.
Schließlich ist es
dann so weit, Jahcoustix Auftritt ist schon weit fortgeschritten und
Culture
wird nicht mehr lange auf sich warten lassen, da werden wir von
Christoph nach
Backstage zu Culture gewunken.
Culture gehört zu
den wichtigsten und erfolgreichsten Roots Reggae Vertretern aus
Jamaica. Im
nächsten Jahr werden es 30 Jahre, auf die Joseph Hill und
Culture zurückblicken
können. Joseph Hill selbst ist inzwischen 56, hat aber noch
nichts von seiner
feurigen Energie und seiner beeindruckenden
Bühnenpräsenz verloren. Seine
musikalische Karriere begann Joseph Ende der 60-ger Jahre als Selektor
für
verschiedene Soundsystems. Er spielte auch Schlagzeug und sang auch
manchmal
für die Soul Defenders. Die Soul Defenders nahmen eine Anzahl
von Riddims im
legendären Studio One von Coxsone Dodd, zu Beginn der 70-er
Jahre, auf. Auch
Joseph begann seine Karriere als Sänger bei Studio One und
nahm in jener Zeit
drei Songs auf. Später begann Joseph mit einer Reihe von
anderen Bands zusammen
zu arbeiten.Im Frühling 1976 kam es
dann schließlich zur Gründung einer eigenen
Gesangsgruppe, die unter dem Namen
„The African Disciples“ bekannt geworden ist.
Joseph wird der Hauptsänger und
Albert Walker mit Kenneth Dayes sind für den Harmoniegesang
zuständig. Kurz
nach der Gründung beginnt die Gruppe mit Aufnahmen bei Joe
Gibbs Studio und von
diesem Zeitpunkt an kam die Gruppe zu dem Namen Culture.
Heute besteht die
Gruppe nach wie vor aus Joseph Hill, seinem Cousin Albert
„Randolph“ Walker und
Telford Nelson. Mehr Infos zu Culture findet man unter www.culturereggae.net.
Film- und
Tonaufnahmen sind nicht erlaubt, aber wir können einige Fotos
machen und
nebenbei ein paar Fragen loswerden. Im engen Backstageraum wartet
Culture und
die Band auf Ihren Auftritt. Joseph sitzt gelassen auf der Sofalehne,
Albert
zieht es vor zu stehen und Telford findet eine leere
Getränkekiste als
Sitzplatz am geeignetsten.
Joseph ist heute ganz in schwarz und Leder
gekleidet. Ein leuchtend roter Schlips und ein paar dezente metallisch
rote
Streifen an der Weste verleihen dem tollen Outfit eine besondere Note.
Unser
letztes Zusammentreffen mit Joseph Hill war am 02.07.2004 beim
Summerjam in
Köln. Joseph denkt nach und kann sich schließlich
auch daran erinnern, nach dem
er unser gemeinsames Foto angesehen hat. Unsere mitgebrachten RNM-s
werden
gleich in Beschlag genommen und studiert. Eine willkommene Abwechslung,
wenn man
bedenkt, dass man auf einer langen Tournee nicht immer etwas in der
eigenen
Sprache zum Thema zu lesen bekommt.
Joseph Hill und Culture sind in diesem Jahr
zweimal in Jamaica ausgezeichnet worden, im April die
„Culture Shock Bronze
Medal Award“ im Kingstoner Hilton Hotel und im August der
„Independence Award“
auf Premierminister Pattersons Independence Gala. Joseph war die Ehrung
in
Jamaica von Jamaicanern besonders wertvoll, mehr Wert als anderswo in
der Welt. Er sagte dazu unter Anderem:
„It is better to be a big man in a small
ocean, than a small „humpph“ in a big
sea.“ Ich frage Joseph was er denn
mit “humpph” meine, da mir dieses Wort
leider nicht geläufig ist. Das löst allgemeine
Heiterkeit aus. Joseph lacht
lange und klopft mir auf dem Rücken. Er meint dies kann ich
aber nicht in das
Magazin schreiben und lacht weiter. Also „humpph“
ist ein kleiner S....... Nun,
ich werde es wunschgemäß nicht schreiben, auch wenn
es vielleicht nicht ernst
gemeint war. Ich frage ihn weiter nach dem neuen Film der
gegenwärtig als DVD
herausgekommen ist, den ich leider noch nicht ansehen konnte. Der Titel
ist
„Live in Seychelles“. Ist das nur ein Name oder gab
es tatsächlich einen
Auftritt dort, möchte ich wissen. Nein sie waren
tatsächlich dort gewesen meint
er. Von Joseph Hill und Culture gibt es inzwischen 26 Alben und 10
Compilations. Welche Alben gefallen Joseph davon am besten, ob er denn
ein
Lieblingsalbum hätte, frage ich ihn. Nun da möchte
sich Joseph nicht festlegen.
Ein Lieblingsalbum habe er nicht. Meine Lieblingsalben sind
„One Stone“,
„Payday“ und „Humble African“,
erzähle ich ihm. Ich spüre deutlich Erstaunen
und Zustimmung in seiner Mimik. Er nickt und meint, „Oh ja,
sehr gut.“ Auf
meine Frage hin, wann es denn nach dem im Jahr 2003 erschienenen
„World Peace“
ein neues Album gäbe, möchte er sich nicht festlegen.
Auch als ich versuche ihn
direkt auf das nächste Jahr festzulegen gibt es keine
eindeutige Antwort.“ Es
kann schon sein im nächsten Jahr –
vielleicht.“, meint er nachdenklich.
Nun
kommt Bewegung in die Band und die Ersten verlassen den Raum. Joseph
bleibt
zwar weiterhin entspannt auf seiner Sofalehne sitzen, aber wir sehen
den
Zeitpunkt gekommen, um uns zurückzuziehen.
„Ich hoffe auf ein
neues gutes Album und wünsche dir und Culture alles Gute
für die Zukunft.“,
sage ich zum Abschied. „Dankeschön und ich
wünsche dir auch alles Gute.“, sagt
Joseph und neigt lächelnd den Kopf.
Ja und dann gilt es
erst einmal die Bühnenshow von Culture zu genießen.
Am Anfang betritt Junior
Culture, Josephs Sohn, die Bühne.
Es ist ein völlig anderer Stil, als der, den
man von Culture gewöhnt ist. Aber Junior Culture ist eben
nicht Culture und
wird sicher auch seinen Platz in der Reggaegemeinde einnehmen. Der
Auftritt ist
jedenfalls vielversprechend. Wir dürfen gespannt sein auf
künftige
Veröffentlichungen. Im Anschluss daran präsentiert
Joseph Hill und Culture
einen tollen Querschnitt aus der Vielzahl zurückliegender
Alben. Immer wieder
ein fantastisches Erlebnis.
Es ist fast
unmöglich für den Unbeteiligten die richtigen Worte
zu finden. Man muss es
einfach mal erlebt haben. Leider hat alles einmal ein Ende und Joseph
kündigt
schon mal an, dass nun bald sein Bruder Lee Perry auf die
Bühne kommen wird
(der allerdings nicht wirklich sein echter Bruder ist, wie sicher jeder
weiß).
Ja und dann ist es
so weit. Lee Perry tröstet weit nach Mitternacht über
den Abschied von Culture
hinweg. Auch Culture selbst lässt es sich nicht nehmen den
Auftritt von Lee
Perry zu verfolgen. Lee Perry trifft nur an diesem und am folgenden Tag
in Dortmund
mit Culture zusammen. Es ist also keine gemeinsame Tour. Lee betritt
die Bühne
wie ein Trugbild von Haile Selassie - Rastafari lebt. Des Kaisers
Mütze auf dem
Kopf unterstreicht noch die verblüffende Ähnlichkeit.
Die
Mütze tauscht er aber
später wieder gegen sein „Space-Cap“ aus,
wie er selbst seine allen bekannte
Kopfbedeckung nennt. Lee Perry hat eine eigene Filmcrew mitgebracht und
wird
von drei verschiedenen Stellen aus gleichzeitig aufgenommen. Wir
können also
damit rechnen, dass es demnächst ein Video geben wird. Lee
Perry tritt wieder
mit den White Belly Rats auf und präsentiert
überwiegend wieder die Titel
seines aktuellen Albums „Panic in Babylon“. Man
muss es unbedingt anhören, man
kann einfach nicht genug davon bekommen. Lee Perry wird auch wieder von
seiner
Frau begleitet, die den Auftritt von Lee, hinter den Boxen am rechten
Bühnenaufgang, strahlend mit verfolgt. Lee Perry hat auf der
Bühne einen Teller
auf dem sich einige brennende Kerzen befinden. Während der
Show kommt es dann
tatsächlich zum Ausbruch eines Feuers auf der Bühne,
während dessen Lee ein
paar Teile seiner Ausstattung einbüßt. Auf der
Bühne stehende
Mineralwasserflaschen können zum Glück als
Feuerlöscher dienen und den Brand
zum verlöschen bringen. Ist das nun Show oder ein Versehen?
Passen würde es,
schließlich hat Lee so einiges verbrannt in seinen Ansagen.
Am frühen Morgen
gegen 2:15 Uhr ist dann leider auch dieses Highlight zu Ende.
Gitarrist Robin von
der Gruppe Culture hat offenbar am längsten zugesehen. Er hat
nun seine Gitarre
auf den Rücken geschnallt, wird zum Taxi gerufen und
verlässt als letztes
Bandmitglied den Saal. Backstage mit Lee klappt heute nicht mehr. Die
Zeit ist
schon zu sehr fortgeschritten. Wir warten bis er Backstage
verlässt. Lee
erinnert sich noch sehr gut an unser Zusammentreffen im Juli in
Dresden, lacht
und bestaunt das T-Shirt mit seinem Abbild, welches meine Frau Marion
heute
trägt.
Wir schenken ihm die
Fotosammlung unseres letzten Treffens und natürlich das RNM
mit dem Bericht
über seinen Auftritt in Dresden. Lee schreibt noch einen
letzten Gruß für mich,
bevor er sich verabschiedet: „Jah Bless From Peter Pan To
Peter Fan“.
Den Kopf voller
fantastischer Riddims und unterschwelligem Pfeifen in den Ohren
verlassen wir
zufrieden das Kesselhaus. Ein langer Weg liegt noch vor uns, aber die
Erinnerungen werden uns wach halten.
Copyright:
Text & Fotos by Reggaestory
|
Zurück
|
|
|