REGGAEVILLE
EASTER SPECIAL
05.04.2023 - FESTSAAL KREUZBERG - BERLIN
Nach dreijährigem Corona-Pandemie bedingten Aussetzern gab es
in
diesem Jahr wieder eine Auflage des Reggaeville eigenen Festivalformats
"Easter Special". Die große Abschiedstour der jamaikanischen
Legende Max Romeo kam da gerade recht, um damit auch das Easter Special
zu bedienen. Zumal auch noch Lutan Fyah, Droop Lion und Max Romeos
nächste Generation Xana und Azizi Romeo an der Tour
mit
beteiligt sind. Damit wäre die Festival Running Order
eigentlich
schon komplett gewesen, wenn man an frühere Auflagen denkt.
Aber
Festivalmacher Julian Schmidt setzte mit Lila Iké noch einen
bzw. eine drauf. Damit verlängerte sich die prognostizierte
Länge des Festivals bis auf 1:00 Uhr des nächsten
Tages,
vorausgesetzt eines einigermaßen pünktlichen Beginns.
Alles zusammen mehr als genug Gründe, um eine der
fünf
Festivalstationen zu besuchen, zumindest wenn man Lila Iké
auch
noch mit erwischen möchte.
Die Stationen des Festivals waren wie in 2019 in Berlin,
München,
Hamburg, Dortmund und Amsterdam, nur dass die Reihenfolge eine andere
war und Berlin die Festivaltour eröffnete und nicht wie in
2019
beschloss.
Da für uns Berlin die nächst liegende
Möglichkeit
war, das Festival zu erreichen, mussten wir uns dieses Mal schon mitten
in der Woche auf den Weg machen, da der 05. April auf einen Mittwoch
fiel.
Hier nun unsere Eindrücke des Abends.
Für 19:00 Uhr ist der Einlass angekündigt und wir
gehören wie gewohnt zu den ersten Wartenden im
Gelände. 30
Minuten später öffnet dann schließlich der
Berliner
Festsaal Kreuzberg seine
Türen. Gleich am Eingang zum Festsaal hat sich der
Berliner HELP
Jamaica! e.V.
postiert, um keinen der Besucher zu verpassen, der vielleicht noch
nichts von dem Verein und seinen Bildungsprojekten in Jamaica
gehört hat. Da ist es fast zu erwarten, dass heute
für das
Warmup das SoundQuake Soundsystem verantwortlich ist, da Hilmar Keding
alias Hille, sowohl beim HELP Jamaica! e.V. als auch beim SoundQuake
Sound an den "Rädern" dreht.
In Anbetracht des umfangreichen Programmes war der Beginn für
20:00 Uhr eingeplant, aber da der Einlass schon später
erfolgte, wird sich der Start wohl etwas nach hinten verschieben.
Während wir uns noch Gedanken machen, in welcher Reihenfolge
wohl die Artists auftreten werden, erfahren wir, dass es mit Soultrain
Locomotive noch einen weiteren Artist geben wird.
Der Festsaal ist schnell und gut gefüllt. Auch die
Galerien sind heute geöffnet, was darauf hindeutet, dass man
ein volles Haus erwartet. Letztendlich ist es aber mit zirka 800
Besuchern ganz entspannt und ein Ausverkauf des Saales wird leider
nicht
erreicht.
Schließlich
kommt Bewegung auf die Bühne und die Lichter gehen an. Leider
mit dem Effekt, dass wir nun weniger sehen als vorher. Die ersten
Besucherreihen vor der Bühne sind total geblendet, dass es
wohl schwer werden wird die Künstler ordentlich zu erkennen,
geschweige denn gute Fotos zu machen. Da fehlt doch nur noch etwas
Nebel im Konzept und die Abwehrbedingungen wären perfekt. ;-)
Überraschungsgast Soultrain sagt sich selber an und
eröffnet das Festival mit seinem Programm als Soundsystemshow,
welche
überwiegend aus Dancehall besteht.
Sein erster Song ist "Mic Man", den er 2014 auch als Video auf YouTube
veröffentlicht hat.
Live Video:
Soultrain Locomotive - 1/2 - Tan Firm
Soultrain oder Soultrain Locomotive wurde am 04. Mai 1979 als David
Much in Deutschland geboren. Seine Wurzeln liegen
aber zumindest väterlicherseits in Suriname und Jamaica. Neben
Reggae & Dancehall haben ihn auch HipHop, Breakbeat und Jungle
stark in seiner musikalischen Laufbahn beeinflusst. Soultrain
gehörte zu den ersten Artists der die Jungle Szene 1993 in
Deutschland mit gestaltete. 2002 wurde er von Navigator als Mitglied in
die Rawhill-Cru nach London geholt, in der auch Ragga
Größen wie Tenor Fly, Daddy Freddy und die Ragga
Twins zuhause waren. Gemeinsam mit Navigator und MC Spyda landeten sie
2003 den Smash-Hit "Mo' Fire", der Platz 1 in den UK Dance
Charts erreichte und über 60.000 mal verkauft wurde. Dies
sorgte für weltweite Aufmerksamkeit. Bisher gehen weit
über 1.000 Shows in Europa und Übersee auf sein
Konto.
Live Video:
Soultrain Locomotive - 2/2 - Won't Have To Fight
Im Jahr 2006 verlegte er schließlich seinen
Lebensmittelpunkt nach Berlin, wo er bis heute zu finden ist. 2008 nahm
er seinen Hit "Heart of A Champion" auf und arbeitete seit 2009 mit dem
Berliner Label IM Music zusammen. Am 03. Juni 2014 erschien
schließlich seine erste Dancehall EP "Pon di Arrival" mit
sieben Tracks auf seinem eigenem Label Railroad Entertainment (RRE).
Die Hit Single "Me nuh easy" der EP schaffte es in die "Selection"
einiger Top DJs und Clubs in Europa und Übersee.
Am 23.12.2016 veröffentlichte er zusammen mit Phantom Warrior,
die "Lion Dub Street Series Vol. 21: Heavy Like Tank" als EP mit 5
Songs, dessen ersten Song "Mic Man" Soultrain heute zur
Eröffnung schon gesungen hat. Die Single "Heavy like Tank" war
eine "Punktlandung" und sicherte ihm
Airplay auf den britischen Radiosendern "BBC Radio 1" und "Kiss 100".
Hochkarätige DJs der UK Drum & Bass Szene,
wie DJ Hype, DJ Brockie, Nicky Blackmarket und viele mehr,
unterstützten den Wahlberliner, und auch
weltweit landete die Hit Single in einigen Playlists der angesagtesten
DJs.
In 2017 hat er mit dem Song
"Tomahawk" auf der "Black Magic" EP einen Auftritt. Weitere
Songs mit verschiedenen Artists und Labels folgen. Die aktuellste
Single ist die erst am 05. Januar 2023 erschienene "Weh Meh
Wah",
produziert vom Berliner Sound CityLock.
Soweit ein paar biografische Daten zu David Much, alias Soultrain aka
Soultrain Locomotive.
Nach den bisher drei angeführten Songs folgen noch "How Dem
Treat We", "Don't Make It Harder" und natürlich zum Schluss
auch noch die aktuelle City Lock Produktion "Get Weh Me Wah".
Aktuell arbeitet Soultrain an einer Vintage "Early Digital Dancehall "
EP mit Hotta Henne, an verschiedenen Dancehall Produktionen
mit City Lock, sowie an einer Dancehall EP mit dem Label ODT Muzik und
Navigator aus UK. Für die Freunde des Dancehall ist also
einiges bei Soultrain in Arbeit.
Nach
einer kurzen Pause geht es gegen 21:00 Uhr auf der Bühne
weiter und die
Musiker spielen sich für den nächsten Act ein. Droop
Lion, der seit 2013 auch mit den Gladiators zusammenarbeitet und seinen
Einfluss auf deren 2014er Album "Back On Tracks" eindrucksvoll
vorstellt, haben wir
an derselben Stelle beim Reggaeville Easter Special zuletzt in 2018
gesehen, was damit schon wieder unglaubliche fünf Jahre
zurückliegt. In der weiteren Folge werden die Artists
gemäß Tourposter von unten nach oben folgen, wie wir
vor der Show im Backstage erfahren haben.
Live Video:
Droop Lion - 1/4 - Katta
Droop Lion mit seiner eindrucksvollen und unverkennbaren Stimme hat von
Anfang an die Massive auf seiner Seite, zumal er auch gleich mit einem
seiner besten Songs eröffnet, den man auf dem 2014er
Gladiators Album "Back On Tracks" als "Naturality" finden kann. Damit
habe ich natürlich nicht gerechnet und könnte mir in
den Hintern beißen, diesen Einstand nicht aufgenommen zu
haben. Aber es gibt ja noch andere Kameras die das festgehalten haben.
Aber Droop Lion hat natürlich auch noch genug andere
wundervolle Songs mitgebracht, mit denen er einen bleibenden Eindruck
hinterlässt.
Muss man
hier und an anderen Stellen nicht ein wenig an Bob Marley denken?
Live Video:
Droop Lion - 2/4 - We Pray For Them
Anders als in 2018, als Droop Lion mit weißem Umhang und
Rastaschal über die Bühne wirbelte, tritt er heute in
einem schicken grauen Anzug auf, der im Scheinwerferlicht
glänzt und glitzert. Darunter trägt er ein
hellviolettes Hemd und darüber an einer goldenen Kette die
Korean War Medal in einer goldenen Ausführung mit dem Bildnis
von Kaiser Haile Selassie. Sie wurde dereinst anlässlich des
koreanischen Krieges (1950-53) äthiopischen Kämpfern
verliehen, die im 1st Kagnew "Conquerors" Infantry Battalion, gebildet
aus der kaiserlichen Elitegarde, dem Aufruf der UNO folgten und Korea
im Krieg gegen China unterstützten. Bisher kannten wir diese
Medaille eigentlich nur in Silber.
Der gediegene Aufzug hindert aber Droop Lion keineswegs daran,
unaufhaltsam
über die Bühne zu stürmen und seine
Dreadlocks in Szene zu setzen.
Ist das etwa
Bob Marley? ;-)
Live Video:
Droop Lion - 3/4 - Have You Ever Seen The Rain (CCR Cover)
"Have You Ever Seen The Rain", ein Song der
legendären
US-amerikanischen Rockband Creedence Clearwater Revival
Band oder kurz CCR, als Reggae Version, ist einfach nur der Hammer. Was
würde wohl John Fogerty dazu sagen, wie sein Song von 1970 in
der Interpretation von Droop Lion nach über 50 Jahren klingt?
Zum Abschluss der Show gibt's dann mit Bob Marleys "Soul Rebel" das
nächste und leider letzte Highlight. Wir wissen dabei nicht,
ob wir lieber an Bob Marley oder an die Versionen von U-Roy,
Lee Perry oder Bunny Wailer denken sollen. Leider haben uns diese vier
Legenden schon verlassen. Die drei zuletzt genannten erst
kürzlich. Es gibt allerdings noch zahlreiche weitere
Versionen anderer Artists, die wir hier nicht vollständig
aufzuzählen in der Lage sind. Aber eines haben wohl die
meisten gemeinsam, ... immer wieder schön und
Gänsehaut pur!
Live Video:
Droop Lion - 4/4 - Soul Rebel
Ein fantastisches Konzert! Und dabei haben noch so viele Hits gefehlt.
Wenn Droop Lion morgen wieder auftreten würde, wären
wir sofort wieder dabei. Das tut er zwar, aber nach München
können wir nun wirklich nicht folgen.
Auf biografische Daten haben wir bei Droop Lion an dieser Stelle
verzichtet, da wir das schon in 2018 ausführlich getan haben.
Also einfach noch einmal zurückschauen,
wer seine Erinnerungen noch einmal auffrischen oder sich näher
informieren möchte.
Nach
einer kurzen Verschnaufpause der Band, die noch weiterspielen
wird, gehört der nächste Auftritt Lutan Fyah. Auch er
ist gezwungen sich selber und noch ungesehen aus dem Backstage heraus
anzukündigen. Ein im Festsaal anwesender Artist versteht
nicht, warum man bei einem Festival wie dem Reggaeville Easter Special
auf einen Moderator verzichtet. Das ist wohl wahr. Aber keine Ahnung,
vielleicht ist er ja kurzfristig ausgefallen und es war kein Ersatz zu
finden? Aber ich denke mal, da hätte es sicher
viele spontane und geeignete Freiwillige gegeben. ;-)
Live Video:
Lutan Fyah - 1/3 - Mightier Than Them All + ...
Lutan Fyah gehört ja zu unseren absoluten Lieblingsstimmen des
jamaikanischen Reggae, und wo wir nur können, sehen wir uns
immer seine Show von Anfang bis Ende an. Auch heute überzeugt
er uns wieder mit eingängigen Hits aus seinem umfangreichen
Songkatalog, bei dem man zusehends den Überblick verliert.
Früher sind wir ja jedem Album nachgejagt, aber in den letzten
Jahren haben wir ganz einfach den Faden verloren.
Mit Songs wie "Mightier Than Them All", "Rastafari Leads The Way",
"Come Over", Lonesome Soldier" oder "Touch Di Road", um nur einige zu
nennen, sorgt er
für Jubel und Glückseligkeit bei seinen Fans.
Live Video:
Lutan Fyah - 2/3 - Come Over
Für das hervorragende Backing sorgen bisher Thomas
Join Lambert (Drums), Dominique "Do" Marie Joseph
(Bass), Xavier "Kubix" Begue (Guitar), Daniel
Adelaïde
(Keyboards), Rico Gaultier (Sax), Pierre Chabrele
(Trombone), Jimaï Kayans (Percussions) und Sandra
Oujagir & Linda Rey Percs als
Backgroundsinger.
Lutan Fyah, den wir eigentlich überwiegend im schlichten
Outfit im Rasta Look mit den dazu passenden Schmuckelementen kennen,
mal abgesehen von immer wieder anderen schicken Uhren, hat sich heute
einmal ein exklusives und sehr auffälliges Armband
gegönnt. Wenn man in der ersten Reihe steht, kommt man einfach
nicht umhin, immer wieder das Teil zu bestaunen. Darüber
hinaus lenkt aber nichts anderes von seinem strahlenden Lachen ab,
welches er immer wieder dem Publikum schenkt.
Live Video:
Lutan Fyah - 3/3 - Touch Di Road
Ja und das war nun leider der Schluss seiner Setlist. Danke Lutan, dass
du wieder einmal hier in Berlin bist und wir ein weiteres Mal deine
Show genießen konnten!
Für die Band ist aber immer noch nicht Feierabend, denn
für
den nachfolgenden Max Romeo ist sie noch einmal gefordert.
Nach
einer kurzen Pause sind die Musiker gegen 22:15 Uhr wieder auf Sendung.
Jimaï Kayans, Percussionist der bisher namenlosen Band,
übernimmt für diesen Punkt der Running Order die
Moderation und kündigt Max Romeo an. Nach einem kurzen Intro
mit ein paar angespielten Hits von Max Romeo, die schon bei den ersten
Tönen teilweise bejubelt werden, ist es dann endlich soweit.
Die Backgroundsinger Sandra
Oujagir & Linda Rey Percs kommen gefolgt von
Max Romeo unter großen Beifall auf die Bühne. Und
Max schreitet mit "Let's Live Together" und "Back To The Bible" sofort
zur Tat.
Leider ist der Nebelmacher nun auch wieder munter geworden und
lässt Max und die Band teilweise völlig im Dunst
verschwinden. Und dann noch Gegenlicht dazu, ... echt super und vielen
Dank an die Bühnentechnik! Soviel Qualm haben früher
nicht einmal die Raucher geschafft. ;-)
Live Vieo:
Max Romeo - 1/3 - Let's Live Together" + Back To The Bible"
Max Romeo tritt wie gewohnt in einem edlen Outfit auf, das heute aus
einem mehrfarbigen karierten Anzug oder besser aus Hose mit analog
gemustertem Hemd
besteht. Darüber eine goldene Kette mit einem runden
Anhänger auf dem ein Löwenkopf zu sehen ist.
In diesem Jahr werden wir wohl eine der letzten Gelegenheiten haben Max
Romeo auf Tour zu sehen, denn dieser will sich mit der
aktuellen
"Ultimate Tour" von seinen Fans verabschieden und dann zur Ruhe setzen.
Immerhin feiert der in 1944 geborene Sänger im
nächsten Jahr schon seinen 80. Geburtstag. Für uns
erstaunlich ist, dass man da noch eine Tour mit zirka 50 Stationen
innerhalb von 3 Monaten umsetzen kann. Maximum Respekt!!!
Hier eine der letzten Zusammenstellungen. Endstand ohne
Gewähr, da sich die Liste stetig verändert!
Er wird zwar von seiner Frau Sandra, Tochter Xana und Sohn
Azizi begleitet, die ihn tatkräftig hinter und auf der
Bühne unterstützen, aber wenn man sich die Daten des
Tourplans so ansieht, wird der Ablauf eine enorme Belastung
für Max Romeo werden. Da ist es wirklich gut und richtig, dass
Max durch die Einlagen von Azizzi und Xana eine Verschnaufpause
einlegen kann.
Es
ist Azizzi's Aufgabe die erste Pause von Max Romeo mit drei
seiner eigenen Songs wie "Age Of Truth", "Demeanor" und "African Youth"
aufzufüllen. Wir haben ihn zuletzt in 2016 im Berliner YAAM
gesehen, als er zusammen mit seiner Familie auf der Bühne
stand. Damals auch noch mit seinem Bruder Romax und Schwester Azanette
und deutlich kürzeren Haaren. Seine aktuelle Single "African
Youth", wurde am 24. Februar 2023 veröffentlicht. Auf der
B-Seite befindet sich der Song "Change Of Policies". Zu beiden Songs
gibt's dann auch noch eine Dub Version.
Live Video:
Azizzi Romeo - Demeanor
Danach bekommt Max das Mikro zurück, der mit
Songs wie "Valley Of Death", sowie seinen Megahits "One Step Forward,
Two
Steps Backward" und "Three Blind Mice" in die nächste Runde
geht.
Eine junge Frau hinter mir dreht völlig am Rad. Immer wieder
versucht sie die Besucher der ersten Reihe zu verdrängen,
wirft sich dazwischen und ruft Max Romeo ein "Ich liebe Dich" und
anderes entgegen.
Sie lässt sich sogar hinreißen eine ihrer
Brüste zu entblößen und diese dem
Sänger an der Bühnenkante entgegenzustrecken. Einfach
nur peinlich. Bei aller Begeisterung für Max Romeo und diese
geniale Musik, muss das nun wirklich nicht sein. Manche sollten einfach
weniger von dem nehmen was sie nehmen. ;-)
Live Video:
Max Romeo - 2/3 - One Step Forward + Three Blind Mice
Nun
kündigt Max seine Tochter Xana an, übergibt
ihr das Mikro und zieht sich zurück. Diese geht mit
dem Dauerbrenner "Rate Rasta" gleich in die Vollen, denn viel
Auftrittszeit hat sie leider nicht. Der Song ist auf ihrem 2016er
Album "Wake Up" zu finden und wohl bis heute noch
unangefochten ihr bester Song. Am 06. August 2021 hat sie mit
"The Roots Of X" ein weiteres Album mit 9 Songs bei Charmax Music
veröffentlicht. Xana Romeo hätte schon genug Material
am Start, um durchaus eine eigene Show gestalten zu können.
Leider lassen der heutige Zeitplan und die Anzahl der anwesenden
Artists nicht mehr als eine Einlage mit ein paar Songs zu.
Live Video:
Xana Romeo - Rate Rasta
Nach dieser erfrischenden Einlage von Xana Romeo mit tiefgehender
Stimme, geht es zum dritten und letzten Showteil von Max Romeo und
weiteren altbekannten Hits.
Meine unliebsame ausgeflippte Nachbarin ist leider immer noch nicht
ganz ausgeknockt. Jetzt hat sie auch noch ihre Angriffsstrategien
ausgeweitet und strapaziert die Rücken zweier Männer
mit kräftigen Schlägen, als wären diese eine
Trommel. Einer dieser Rücken gehört leider mir. Wir
sollen endlich die erste Reihe verlassen, ... und überhaupt,
... "Was wollt ihr eigentlich hier?", so die provokante Frage. Noch
während der Anfeuerung ihrer Freundin, die mit
ständigen "Mach weiter!" Rufen, die Situation am Laufen
hält, überlasse ich das Feld den
Störenfrieden. Das ist wie mit den Kassen im Supermarkt.
Irgendwie steht man immer an der falschen Stelle. Aber alles gut, ich
wollte den Schluss sowieso aus einer anderen Perspektive
verfolgen. :-)
Live Video:
Max Romeo - 3/3 - Chase The Devil + A Little Time For Jah (Nyabinghi
Version)
Neben dem herausragenden "Chase The Devil" gibt's als Schlusspunkt "A
Little Time For Jah" vom gleichnamigen 2003 Album, heute als langsame
Nyabinghi Version. Das klingt wirklich nach Abschied. Hoffen wir, dass
wir trotz allem Max Romeo noch einmal wiedersehen. Irgendwie bekomme
ich jetzt feuchte Augen, aber da bin ich bestimmt nicht
der Einzige. Aber freuen wir uns jetzt erst einmal auf
sein
neues Album, welches noch während der Tour herauskommen soll.
Nun
räumen auch die bisherigen Musiker die Bühne, und es
muss für den letzten Act des Abends komplett umgebaut werden.
Dafür ist natürlich eine etwas längere Pause
nötig. Mit Lila Iké werden wir eine andere Band
sehen.
Im Saal ist jetzt einiges an Bewegung festzustellen und an
vielen Stellen ist eine Umschichtung des Publikums erkennbar.
Kurz vor Mitternacht hat sich die neue Band schließlich
fertig eingerichtet und die Show geht weiter. "Are you ready?" fragt
Lila Iké mehrfach und noch unsichtbar aus dem Backstage
heraus. Na selbstverständlich.
Und gleich darauf entert Lila Iké mit ein paar leichten
Sprüngen die Bühne und eröffnet ihr Set mit
"Thy Will", bevor sie unter aufbrausendem Jubel des Publikums mit einem
ihrer schönsten Songs fortsetzt. "Sweet Sensation", am
05.12.2019 auf dem "Rock & Groove" Riddim mit dem
In.Digg.Nation
Collective veröffentlicht,
dürfte sicher an niemand unberührt vorbeigegangen
sein. Neben Lila Iké gibt es auch noch Sevana, Jaz Elise und
Naomi Cowan auf dem Riddim zu hören, aber Lila Iké
dürfte wohl unbestritten die beste Version
präsentieren.
Live Video:
Lila Iké - Thy Will + Sweet Sensation + Biggest Fan
Lila Iké tritt in einer komplett orangefarbenen Anzugordnung
auf, mal abgesehen von dem grünen Hanfblatt auf ihrer
gehäkelten Mütze, weißer Sonnenbrille und
weißen Schuhen mit extradicker Sohle. Wenn wir nicht die
Musik und Lila Iké's markant vibrierende Stimme
hören
würden, lägen die Chancen schlecht sie zu erkennen.
Aber das ändert sich recht schnell, denn innerhalb der ersten
drei Songs wird zuerst die Sonnenbrille liquidiert, dann die
Mütze und bald darauf die Jacke. Später folgen dann
auch noch die Schuhe, was zur Folge hat, dass nun die Hose viel zu lang
ist. Hoffentlich geht das gut und sie stolpert nicht über ihre
Hosenbeine. Witziger Weise lugen darunter immer wieder einmal ein paar
Micky Mäuse hervor, wenn sie versucht die Hosenbeine zu
richten.
Für das Backing hat Lila Iké eine junge Band aus
Kingston mitgebracht, die aus vier Musikern besteht. Das wären
im einzelnen Donte Rose (Keyboard), Dane Peart (Bass), Kristoff Morris
(Drums) und Carlisl Welsh (Guitar). Darüber hinaus waren auch
noch zwei Backgroundsinger mit Katryna Chaplin und Ovasha Bartley
angekündigt, aber diese sind wohl zumindest heute nicht bei
Lila im Boot.
Alecia Tameka Grey, alias Lila Iké, wurde am 23. Januar 1994
in Christiana, eine Kleinstadt im Parish Manchester, nahezu im Zentrum
von Jamaica, geboren. Der Ort liegt nur zirka 45 km
südwestlich von Nine Miles, dem Geburtsort von Bob Marley,
entfernt und ist in den sanften Hügeln der May Day Mountains
eingebettet. Alecia wuchs an der Seite von drei Schwestern bei ihrer
alleinerziehenden Mutter auf. Als zweitältestes Kind begann
sie frühzeitig bei der Familienversorgung Verantwortung zu
übernehmen. Ihre Liebe zur Musik entwickelte sie schon in der
Schulzeit und kreierte Jingles für Klassenprojekte und war
selbst von Freestylen im Unterricht nicht abzuhalten. Ihre
Berufung zur Musik stand endgültig fest, als sie beim
Highschool-Wettbewerb "Bestes Talent" den Titel errang und für
ihre Klasse das Abschlusslied schrieb.
Danach besuchte sie bis 2015 die
Northern Caribbean University und meldete sich während dieser
Zeit zur Veranstaltungsreihe "Open Mic" an. Später zog sie
nach Kingston und nahm dort den heutigen Künstlernamen Lila
Iké an. Sie knüpfte umgehend Kontakte zu
Künstlern wie Jah9, Kabaka Pyramid und Protoje, die sie in der
Folge als ihre Berater betrachtet. Sie wird Mitglied in dem von Protoje
geführten In.Digg.Nation
Collective und hat Gastauftritte auf diversen Aufnahmen von Protoje
("Flight Plans"), Royal Blu ("Believe") und Koro Fyah ("Got it For
You", "Raggamuffin") sowie auf Mixtapes von Addis Pablo und Yaadcore.
Bald darauf begann die ehrgeizige Sängerin ihren eigenen
Songkatalog aufzubauen, der sich von Anfang an mit beeindruckendem
Material füllte.
Lila Iké verschmilzt
zeitgenössischen Reggae mit Elementen aus Soul, Hip-Hop und
Dancehall und veröffentlicht 2017 ihre Debutsingle "Biggest
Fan", gefolgt von "Gotti Gotti". 2018 und 2019 werden unter anderem die
Singles "Second Chance" und das beeindruckende "Where I'm Coming From"
veröffentlicht und in 2020 dann ihre EP "The
ExPerience" mit 7 Songs, natürlich beim Label In.Digg.Nation.
Ja und der Rest ist Geschichte, ... kann man getrost jetzt schon sagen,
denn Lila Iké befindet sich unaufhaltsam auf dem Weg nach
oben und wird sich in ihrem Ehrgeiz auch sicher nicht davon abbringen
lassen. Inzwischen ist sie weltweit unterwegs und war bereits Gast auf
zahlreichen großen Festivals. Erst im März dieses
Jahres war sie auf Tour in Japan und nach der Easter Special Tour geht
es weiter nach Belgien und dann in die Schweiz.
Japan +
Europa Tour (März + April 2023)
Auch hier in Berlin präsentiert sie eine perfekte Show und
zeigt ganz deutlich, dass wir in Zukunft ganz sicher noch viel von ihr
zu erwarten haben. Sehr schön und deutlich und vor allem
ausreichend laut kommt ihr Gesang zur Geltung. Zuvor bei Max Romeo
hatte man leider versäumt das Mikro etwas weiter aufzudrehen
und an seine Stimme anzupassen.
Schließlich zeigt Lila Iké, dass ihre Show noch
ausbaufähig ist und nimmt zu ihrem wunderschönen Song
"Wanted" auch noch eine Gitarre zur Hand. Gerne hätten wir das
aufgenommen, aber leider waren nur Aufnahmen während der
ersten drei Songs zugelassen. Also können wir nur auf das offizielle
Video verweisen und müssen versuchen unsere
Eindrücke im Kopf zu behalten. :-(
Lila Iké beschließt mit "Where I'm Coming From"
ihre beeindruckende Show. Ein Song in dem sie ihre eigene Geschichte
erzählt und dabei Originalschauplätze in ihrem offiziellen
Video einbaut. Eine Zugabe gibt es leider nicht mehr, obwohl
aktuell der Zeitplan trotz zwischendurch eingetretener
Verzögerung eingehalten wurde. Ein paar Minuten
hätten wir noch bis zum ursprünglich
angekündigten 1:00 Uhr Finish. ;-)
Im Backstage sind wir heute natürlich viel zu spät
dran, um noch irgendwelche Eindrücke einzufangen. Dazu
hätten wir zwischen den Konzerten pausieren und etwas
verpassen müssen. Droop Lion und Max Romeo & Family
sind leider schon längst im Hotel. Nur die Musiker sind noch
da, und Lutan Fyah verfolgt das Treiben im Festsaal durch eine Scheibe.
Bevor wir ihn begrüßen können, ist auch
dieser zur Aufregung der Organisatoren plötzlich verschwunden.
Er ist durch die Menge des Saales nach draußen und
niemand hat gesehen wohin er gegangen ist. ;-)
Wir könnten zwar noch auf einen Termin mit Lila Iké
warten, aber diese möchte sich nach der Show erst einmal
umfassend
"rekonstruieren". Leider sagt sie uns nicht wie lange das dauern
könnte und so brechen wir das Warten lieber ab und begeben uns
auf den Heimweg. Immerhin müssen wir noch eine erhebliche
Fahrstrecke hinter uns bringen und morgen früh, pardon heute
Morgen, wieder am Arbeitsplatz sein.
Soweit ein letzter Gruß ohne Bilder aus dem Backstage vom
Festsaal
Kreuzberg in Berlin.
Auf Wiedersehen bis zum nächsten Mal!
Copyright:
www.reggaestory.de
Text + Videokamera: Peter Joachim
Fotos: Marion + Peter Joachim
Mein Dank geht an Julian von Reggaeville, Christoph von Revelation
Concerts, JM Ivanès, Clara von Baco Music, Frank von
Topline
Events und natürlich ganz besonders an
die
Künstler des Abends.